Im September dieses Jahres entschied der EuGH über den Fall des rumänischen Unternehmens Arcomet. Die Schlussfolgerungen dieses Urteils können für Sie inspirierend sein, wenn sich Ihr Unternehmen in einer ähnlichen Konstellation befindet oder wenn Sie Rechnungen erhalten, die lediglich eine allgemeine Bezeichnung ohne weitere Leistungsnachweise enthalten und es Ihnen schwerfällt, die Nachweise für die Nutzung der abgerechneten Dienstleistungen gegenüber dem Finanzamt zu erbringen.
Nettomargenmethode, Leistungsvorliegen – worum geht es im Urteil?
Das belgische Unternehmen Arcomet gründete in Rumänien eine Tochtergesellschaft, Arcomet Rumänien (d. h. es hält eine Beteiligung an ihr). Gegenstand der Tätigkeit dieser rumänischen Tochtergesellschaft ist der An- und Verkauf sowie die An- und Vermietung von Kränen.
Die Muttergesellschaft Arcomet Belgien und ihre rumänische Tochtergesellschaft schlossen 2012 einen Vertrag, in dem sich beide Unternehmen zur Erbringung bestimmter Leistungen verpflichteten:
Die Muttergesellschaft verpflichtete sich betriebswirtschaftlich zur Strategie- und Planungsunterstützung, zur Verhandlung von (Rahmen-)Verträgen mit Drittlieferanten, zur Verhandlung von Finanzierungsbedingungen, zum Engineering, Finanzmanagement, zur zentralen Fuhrparkverwaltung sowie zum Qualitäts- und Sicherheitsmanagement. Zudem trug die Muttergesellschaft die wirtschaftlichen Risiken im Zusammenhang mit der Tätigkeit der rumänischen Tochtergesellschaft.
Die rumänische Tochtergesellschaft verpflichtete sich, alle für ihre Tätigkeit notwendigen Waren zu beschaffen und zu verwalten sowie für deren Verkauf und Vermietung und für die Erbringung von Dienstleistungen verantwortlich zu sein.
Die Unternehmen vereinbarten im Vertrag eine Vergütung für ihre Tätigkeiten. Die Vergütung basierte auf der Nettomargenmethode gemäß den OECD-Verrechnungspreisleitlinien und sollte die rumänische Gesellschaft in eine Situation bringen, die den von ihr ausgeführten Tätigkeiten und den von ihr übernommenen Risiken entspricht. Die Muttergesellschaft sollte am Ende jedes Jahres eine Rechnung für die im Vertrag beschriebenen Leistungen ausstellen. Sie sollte eine jährliche Ausgleichsrechnung ausstellen, wenn die operative Marge von Arcomet Rumänien über 2,74 % lag (Gewinnung des übersteigenden Gewinns - Zahlung von Arcomet Rumänien an Arcomet Belgien). Oder Arcomet Rumänien hätte die Rechnung ausstellen müssen, wenn die Marge unter -0,71 % lag (Zahlung von Arcomet Belgien an Arcomet Rumänien zur Verlustdeckung). Nach dem Vertrag sollte keine Vergütung erfolgen, wenn die operative Marge zwischen -0,71 % und 2,74 % lag.
Rumänische Gesellschaft „selbstveranlagt“, Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug ab
Arcomet Rumänien erzielte in den Jahren 2011–2013 jeweils eine operative Gewinnmarge über 2,74 %. Arcomet Belgien stellte ihr daher für jedes Jahr eine Rechnung - „Rechnung betreffende der Erbringung von Dienstleistungen“ ohne Umsatzsteuer aus. Arcomet Rumänien erklärte diese Rechnungen für 2011 und 2012 als innergemeinschaftlichen Erwerb von Dienstleistungen im Reverse-Charge-Verfahren und machte die Vorsteuer geltend. Bei der Rechnung für 2013 nahm sie an, dass es sich um nicht umsatzsteuerbare Vorgänge handle.
Die rumänische Finanzverwaltung verweigerte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass Arcomet Rumänien das Vorliegen der von der Muttergesellschaft fakturierten Dienstleistungen und deren Notwendigkeit für ihre steuerpflichtigen Ausgangsumsätze nicht nachgewiesen hat.
Beteiligungshaltung aus Sicht der USt
Der Streit landete schließlich vor dem EuGH. Und so suchte der EuGH eine Antwort auf die erste gestellte Frage: Ob der von der (Mutter-)gesellschaft einer verbundenen operativen Gesellschaft in Rechnung gestellte Betrag, der erforderlich ist, um den Gewinn der operativen Gesellschaft an die ausgeführten Tätigkeiten und deren Risiken gemäß der Margenmethode (nach den OECD-Leitlinien) anzugleichen, als Zahlung für eine Dienstleistung, die in den Anwendungsbereich der USt fällt, anzusehen ist oder nicht.
Nach Auffassung des EuGH ist zu unterscheiden, ob sich die Tätigkeit der Holdinggesellschaft beschränkt auf den einfachen Erwerb und die Haltung einer Beteiligung, ohne direkte oder indirekte Einmischung in die Geschäftsführung der Gesellschaft, an der die Beteiligung gehalten wird (vorbehaltlich der Rechte als Aktionär/Gesellschafter), was keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der USt darstellt. Oder ob die Muttergesellschaft aktiv in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft ein, im Rahmen von Transaktionen, die der USt unterliegen, wie z. B. der Erbringung von kaufmännischen Dienstleistungen für ihre Tochtergesellschaft greift.
Laut EuGH handelt es sich im Fall Arcomet um die zweite Situation. Da in diesem Fall die Definition einer Leistung gegen Entgelt erfüllt ist – es besteht ein Rechtsverhältnis, in dem Leistungen ausgetauscht werden, und die Vergütung ist weder freiwillig, zufällig, schwer quantifizierbar noch unsicher – stellt die Vergütung für die Muttergesellschaft nach dem EuGH-Urteil ein Entgelt dar, das der USt unterliegt.
Nachweis des Rechts auf Vorsteuerabzug
Laut EuGH sind die Steuerbehörden berechtigt, von Arcomet Rumänien (im Zusammenhang mit der Überprüfung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug) zu verlangen, nachzuweisen, dass die betreffenden Eingangsleistungen tatsächlich von Arcomet Belgien bezogen wurden und dass Arcomet Rumänien sie tatsächlich für ihre eigenen steuerpflichtigen Umsätze verwendet hat. Von der rumänischen Gesellschaft kann jedoch nicht verlangt werden, für USt-Zwecke die Notwendigkeit oder Angemessenheit dieser Dienstleistungen für ihre steuerpflichtigen Umsätze (das sogenannte Kriterium der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit) nachzuweisen.
Reicht eine Rechnung aus, oder können die Steuerbehörden auch andere Unterlagen verlangen?
Der EuGH befasste sich auch mit der Frage, ob die Steuerbehörden neben der Rechnung auch Dokumente (z. B. Tätigkeitsberichte, Arbeitszeitnachweise usw.) verlangen dürfen, die die Verwendung der Dienstleistungen für steuerpflichtige Ausgangsgeschäfte begründen. Die Antwort des EuGH lässt sich wie folgt vereinfachen: Ja, die Steuerbehörden sind berechtigt, vom Steuerpflichtigen (der den Vorsteuerabzug geltend macht) den Nachweis der Existenz der auf der Rechnung aufgeführten Dienstleistungen und deren Verwendung für seine steuerpflichtigen Umsätze zu verlangen, auch durch die Vorlage anderer Unterlagen als nur der Rechnung selbst.
Empfehlungen
Wenn eine Verrechnungspreisanpassung (VP-Anpassung) gleichzeitig ein Vergütungsmechanismus für tatsächliche Dienstleistungen der Muttergesellschaft ist, handelt es sich nach diesem Urteil um eine steuerpflichtige Leistung.
Für den Vorsteuerabzug ist mehr als eine Rechnung erforderlich – man muss die erbrachte Leistung und deren Verwendung nachweisen können. Ihre Angemessenheit oder Notwendigkeit für USt-Zwecke muss nicht nachgewiesen werden.
Verträge für konzerninterne Leistungen sollten stets nicht nur unter Berücksichtigung von Verrechnungspreisen und Einkommensteuer verfasst (und anschließend abgerechnet) werden, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der USt.
Achten Sie auf die Beurteilung des USt-Regimes. Wenn es sich um eine USt-pflichtige Leistung handelt, sollten Sie das Rechnungs-/Leistungsdatum, den Text auf der Rechnung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit VP-Anpassungen (oder deren Anhängen) sorgfältig prüfen sowie die fortlaufende Beschaffung (und Archivierung) von Nachweisen über die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen und deren Verwendung sicherzustellen.
auditorea k.s.
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